Was ist ein Bürgerrat

Und warum brauchen wir einen?

Ein Bürgerrat dient dazu, die Bevölkerung verstärkt in politische Entscheidungen mit einzubinden. Normalerweise haben wir dazu nur zwei Möglichkeiten: Direkt bei einer Wahl, und indirekt über Meinungsumfragen, vermehrt auch über Social Media.
Dass politische Entscheidungen in der Regel gewählten Entscheidungsträgern überlassen werden, hat seinen guten Grund: Wird die Bevölkerung direkt mit eingebunden, gestaltet sich der Entscheidungsprozess äußerst langwierig und mühsam. Zu viele Köche verderben bekanntlich den besten Brei…

Auf der anderen Seite gibt es so wenig offizielle und legale Möglichkeiten, politische Entscheidungen, die an der Bevölkerung vorbei getroffen werden, zu beeinflussen.

Und hier kommt der Bürgerrat (auch Bürgerparlament oder Bürgerforum genannt) ins Spiel:
Dabei kommen nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürgerinnen und Bürger nach dem Vorbild eines Geschworenengerichts zusammen und diskutieren innerhalb eines bestimmten Zeitraums unter der Anleitung fachkundiger Moderatoren und beratender Experten zu einem wichtigen Thema bzw. Themenkomplex. Die Teilnahme ist dabei freiwillig, d.h. eine Einladung kann auch abgelehnt werden. In dem Falle rückt der/die Nächstgereihte nach.

Die Auswahl der Teilnehmer erfolgt nach demographischen Richtlinien anhand des Melderegisters einer Region. Die Mitglieder des Bürgerrates müssen dabei einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung (Geschlechterverteilung, Altersgruppen, Ausbildung, Wohnort etc.) wiedergeben. Der Vorteil bei diesem Verfahren ist, dass so keine politischen oder wirtschaftlichen Interessensgruppen vertreten werden, sondern persönliche Meinungen.
Die Ergebnisse, manchmal auch schon Zwischenergebnisse, werden öffentlich im Rahmen von Veranstaltungen, Pressekonferenzen, Pressemitteilungen und im Internet via Website und/oder Social Media bekannt gegeben. Dabei sind öffentliche Diskussionen bei den Präsentationen ein wichtiger und wesentlicher Aspekt.
Die gefundenen Lösungen werden anschließend den politischen Entscheidungsträgern übergeben und mit ihnen zusammen noch einmal gründlich diskutiert. Das gemeinsam gewonnene Ergebnis soll anschließend verbindlich für die verantwortlichen Politiker umzusetzen sein.

Weltweit etablieren sich Bürgerräte immer stärker in repräsentativen Demokratien, weil sie einen wesentlichen Schwachpunkt abfedern: Die zu geringe Einbindung der Bevölkerung, deren demokratischer Anspruch gegenüber früher angestiegen ist, sowie ein fatales Aus-dem-Ruder-laufen bei Wahlkämpfen, die immer stärker von ideologischen Machtkämpfen und populistischen Ausfällen gekennzeichnet sind. In Vorarlberg sind daher Bürgerräte bereits seit einem Jahrzehnt in der Landesverfassung verankert. In diesem Zeitraum wurden ca. 40 Bürgerräte abgehalten.

Für die Plattform Lebenswertes Waldviertel scheint daher dieses Format in Fragen Windkraftausbau in der Region Waidhofen a.d. Thaya das beste Mittel, um eine sachlich fundierte und von einem breiten Konsens getragene Lösung zu finden. Denn was wir brauchen, sind keine Kämpfe gegenteiliger Meinungen, sondern eine konstruktive Zusammenarbeit von Politik und Zivilgesellschaft.
Ein Bürgerrat ist hierfür momentan das am besten geeignete Werkzeug, um die vielfältigen Bedenken auf der einen Seite und die ökonomischen, energetischen und ökologischen Erfordernisse auf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen. Nur gemeinsam können wir eine für die ganze Region optimale, tragfähige, und daher auch in Zukunft noch tragbare Lösung finden!

Quellen: