Das Drei-Säulen-Prinzip der Nachhaltigkeit

Wenn uns unsere Großeltern etwas wünschten, dann häufig, dass wir es besser haben sollten als sie. Das Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg hat diesen Wunsch in Erfüllung gehen lassen. Aber wie schon der große englische Dramatiker George Bernhard Shaw gesagt hat: „Im Leben gibt es zwei Tragödien: Die eine ist die Nichterfüllung eines Herzenswunsches. Die andere ist seine Erfüllung.“

Was die Lösung des einen Problems war, trug in sich bereits die Keime anderer Probleme: Wohlstandskrankheiten wie Herzinfarkt, Burn-Out, Depression, zusätzlich zu Umweltzerstörung, Artensterben, Klimakrise, um nur einige zu nennen.

So wurde in den letzten Jahrzehnten immer deutlicher, dass die Sicherung unserer materiellen Grundlagen als gesellschaftlicher Wert alleine zu wenig ist. Ein Wertewandel bahnt sich an, der im Nachhaltigkeitsprinzip der drei Säulen oder der Vorrangigkeit vielleicht sein am klarsten ausgeprägtes Bild findet:

Das Wort „Wertschöpfung“ haben wir uns angewöhnt, zu ausschließlich auf Wirtschaft und Ökonomie anzuwenden. Dabei weiß jeder, dass z.B. eine Familie oder Beziehung alleine auf dieser Basis nicht funktionieren kann. Dass es auch eine soziale Basis geben muss, die einen zwischenmenschlichen Wert kultiviert, ist daher einleuchtend.

Erst die großen Umweltprobleme seit dem 2. Weltkrieg, das Ozonloch, das Artensterben durch Lebensraumverlust und den Einsatz von Pestiziden, und nicht zuletzt die von uns verursachte Klimakrise machte deutlich, dass auch unsere Umwelt in Form der Biosphäre einen unschätzbaren Wert darstellt. Die längste Zeit unseres Daseins war sie einfach voraussetzungslos da gewesen, aber erst jetzt wird existenziell klar, dass sie unser aller Lebensgrundlage bildet. Diese Erkenntnis ist im Vorrangmodell rechts dargestellt: Erst auf der Basis der Ökologie kann unsere menschliche Gesellschaft existieren, und erst darauf aufbauend unsere Wirtschaft.

Eine leicht davon abweichende Haltung zeigt das linke Bild: Eine ausgewogene, nachhaltige Ökonomie kann nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet Gewinne erzielen, sondern muss immer auch einen Gewinn auf sozialem Gebiet und in der Ökologie anstreben. Gleichermaßen schädlich wäre es, einseitig etwa nur auf sozialem Gebiet eine Wertschöpfung anzustreben (wie es kommunistische Ideologien postulieren) oder nur auf Arten- und Umweltschutz zu setzen und dabei menschliche Bedürfnisse zu vernachlässigen (was nur die Wenigsten tun, wenn überhaupt!).

Eine solche nachhaltige Haltung, die alle drei Bereiche gleichermaßen berücksichtigt, ist besonders wichtig bei großen Industrieprojekten wie den geplanten Windparks in der Region Waidhofen an der Thaya. Die Standortwahl scheint dort vorwiegend nach ökonomischen Gesichtspunkten getroffen worden zu sein – die bewaldeten Höhen des Wieninger Rückens versprechen mit durchschnittlich 750-800 Watt/m² im Jahr die größte Energieausbeute. Für diesen Ertrag wird sowohl die ökologische Belastung der Region (viele selten gewordene Tierarten in den verflochtenen Ökosystemen von Wald, Wiesen und Teichen), als auch die soziale Belastung der Bevölkerung (mangelnde Einbindung in die Planung, Ignorierung der Kulturgeschichte und des Erfolgs des sanften Tourismus in der Region, sowie die rücksichtslose Umwandlung in eine Industrielandschaft) in Kauf genommen.

In seiner jetzigen Form ist die Planung der insgesamt 48 Windräder allergrößten Formats daher nur eine Fortsetzung des alten, mittlerweile überkommenen, weil bereits erfüllten Wunsches unserer Großeltern. Aber ein weiteres Mehr, Größer und Stärker ist nicht mehr der richtige Weg zu einem Besser, das uns und unseren Kindern und Enkelkindern die Zukunft sichern wird.

Was werden wir unseren Enkelkindern einmal wünschen? Ebenfalls, dass es ihnen „besser“ ginge als uns?

Aber was ist „besser“? Mehr Energie? Mehr „grüne“ Energie?

Lasst uns einmal darüber reden, und nicht nur Beschlüssen „von oben“ folgen.

Denn es gibt Standorte, etwa auf exponierten Ackerflächen, die weit geringere ökologische Belastungen nach sich ziehen würden, bei nur 20% geringerem Jahrestromertrag. Doch das können wir als Plattform Lebenswertes Waldviertel nicht alleine entscheiden. Das müssen wir alle gemeinsam tun, denn wir alle tragen Verantwortung, nicht nur für uns, sondern auch für zukünftige Generationen.

Ein Bürgerrat, der sich dieser Problematik annimmt, ist das derzeit beste zur Verfügung stehende Werkzeug, denn er vereint in sich sowohl die Stimmen der Bürger als auch die fachliche Kompetenz von Experten. Das ist der Weg, der in eine lebenswerte Zukunft zeigt.